Die mit den Wölfen wandern
Wenn man in Kanada wandert, wird man regelmäßig mit Warnschildern konfrontiert, die auf die Anwesenheit von wilden Tieren hinweisen: Koyoten-Warnung, Warnung vor dem Bär oder auch "Achtung, frei laufende Wölfe". Allerdings passiert es ziemlich selten, dass man einen wild lebenden Wolf in den südlichen Regionen von British Columbia erspäht. Die rar gewordenen Tiere nehmen den Menschen eher wahr als umgekehrt und meist tritt der Wolf freiwillig den Rückzug an. Allenfalls nachts kann man sie hören oder ihre Schatten sehen.
In und um Golden, B.C., gehört das Wolfsgeheul zum guten Ton, denn dort wohnen Shelley und Casey Black mit ihrem Wolfsrudel. Die engagierten kanadischen Tierschützer haben sich auf ihre Fahnen geschrieben, das Bild, das Menschen von Wölfen haben, wieder gerade zu rücken. In Golden, B.C. bauten sie ein Wolfsgehege samt dazu gehörigem Infozentrum auf.
In 20-minütigen Vorträgen informieren Shelley und Casey Black über die Situation der Wölfe in Kanada allgemein und über die Besonderheiten dieser Tierart. Diese Besonderheiten lassen sich am besten am lebenden Objekt - sprich am Wolf - erklären: welche Rangordnung gibt es unter den Tieren, wie sind die Fressgewohnheiten, wie jagt das Rudel?
Bei unserem Besuch erfahren wir, dass anfangs (1998) nur Aspen, ein Husky-Wolfsmischling da war. Aspen stammt zu 25 % von einem Husky und zu 75 % von Wölfen ab. Im Jahre 1999 kamen die beiden Grauwolf-Geschwister Maya und Tuk aus Beaverlodge, Alberta, hinzu. Im Frühsommer 2002 wurde dann noch ein Wolfsbaby ins Rudel aufgenommen. Wylie wurde von einem kanadischen Zoo abgegeben und die Blacks nahmen den Wolfswelpen, der damals locker in zwei Hände passte, bei sich auf. Anfangs wurde Wylie mit der Flasche groß gezogen und durfte bei seinen "Alphawölfen" im Haus leben. Aber ab einer gewissen Größe müssen auch Wolfsbabies lernen, dass sie besser draußen wohnen. Wylie musste in das Wolfsgehege einziehen und in das Wolfsrudel integriert werden.
Es bestand die Gefahr, dass das Wolfsrudel den Neuzugang nicht akzeptieren würde, aber diese Bedenken sollten sich als unbegründet herausstellen. Bereits in der ersten Nacht hatte das Grauwolfweibchen Maya für den kleinen Wylie unter einem Baum im Gehege eine Schlafhöhle gegraben. Maya fungierte auch in der ersten Zeit für Wylie als Mutterersatz.
Mittlerweile ist Wylie 15 Monate alt und schickt sich an, sich in der Rangordnung des Rudels nach oben zu kämpfen. Über ihm stehen nun nur noch Tuk und die Alphawölfe Shelley und Casey. Als Alphawolf hat Shelley kein Problem, in das Wolfsgehege zu gehen, das durch eine Schleusentür gesichert ist. Die Wölfe begrüßen sie freudig, fordern sie zum Spielen auf und holen sich Leckerchen ab. Aber Wylie spielt relativ grob und Shelley darf sich von dem halbwüchsigen Wolf nichts gefallen lassen, will sie nicht ihre Rolle als Alphawolf gefährden. Sie verteilt Nasenstüber, als Wylie sie am Ärmel zerrt, und Wylie pariert.
Der Gehorsam des Rudels gegenüber dem Alphawolf macht auch ein ganz besonderes Abenteuer für Besucher möglich: das Wandern mit den Wölfen. Shelley erklärt, dass der Alphawolf die Aufgabe hat, das Futter aufzutreiben. Diesen Umstand nutzen Casey und Shelley, um ihre Wölfe beim Freilauf an sich zu binden. "Die Wölfe brauchen nicht täglich eine Futterration. Sie kommen mehrere Tage ohne Futter aus und wir möchten sie so artgerecht wie möglich halten. Wanderungen mit den Tieren können vor solchen Futterterminen durchgeführt werden. Dann sind die Wölfe hungrig und entfernen sich nicht sehr weit von uns, den Alphawölfen. Wir haben das Futter in der Tasche und sie wittern es."
Für diese Wanderungen wählen Casey und Shelley Wanderwege, die abseits der üblichen Touristenpfade liegen. Die Wanderungen werden ganzjährig angeboten und dauern 2-3 Stunden. Man hat während solch einer Wanderung Gelegenheit, die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu erleben und natürlich auch Fotos zu machen. Dokumentarfilmer und Profi-Fotografen greifen ebenfalls gerne auf die Möglichkeit zurück, Shelley und Casey samt ihrer Tiere bei Bedarf anzuheuern.
Shelley und Casey finanzieren auf diese Weise ihr Gehege und das Futter. Fleisch kommt unter anderem von lokalen Metzgereien, die Reste und für den Menschen nicht zum Verzehr geeignetes Fleisch günstig abgeben. Gelegentlich werden die Blacks aber auch von der Autobahnpolizei angerufen - immer dann, wenn auf der Straße ein größeres Wildtier überfahren wurde. Dann rückt Casey mit dem Kleinlaster aus und nicht selten kommt er dann mit einem toten Reh oder Wapiti-Hirsch zurück.
Zurzeit sind Shelley und Casey dabei, ihr Gehege zu vergrößern. Der Freilauf für die Wölfe soll erweitert werden, denn im Frühjahr wird es erneut Nachwuchs geben. Die Blacks haben Kontakt mit dem Zoo von Toronto aufgenommen. Dort steht Nachwuchs ins Hauas, der dort aber nicht gehalten werden kann. Also werden sie bald in Golden, B.C. zu siebt sein: 2 menschliche Alphawölfe und fünf kanadische Wölfe.
Mehr Infos gibt es auf der Webseite des Wolf-Zentrums:
Northernlightwildlife.com
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