Film-Review: Centigrade
Centigrade
Dass das Skript zu diesem Kurzfilm bereits zehn Jahre alt ist, merkt man dem Film nicht an; in 2007 erinnerte sich Produzentin Madison Graie daran, dass diese Geschichte noch irgendwo in der Schublade lag. Wie sich herausgestellt hat, war die Zeit reif, dieses Skript umzusetzen. Allerdings musste der Titel geändert werden: der ursprüngliche Arbeitstitel "Fahrenheit" war bereits in der Zwischenzeit durch ein Werk von Michael Moore belegt worden. Bei Fahrenheit 472 fängt Papier an zu brennen - in "Centrigrade" kommen die Darsteller schon viel früher ins Schwitzen.

Die Hauptfigur des Films lebt in einem abgewrackten Wohnwagen, zusammen mit einem kleinen Jungen. Der Mann geht ziemlich grob mit dem kleinen Jungen um und bei der Vorführung des Films im Rahmen des Whistler Film Festivals meinte die Frau, die neben mir in der Reihe saß: "Oh, Gott, in diesem Film geht es um Gewalt gegen Kinder." Die Frau sollte sich täuschen. Die Rolle des kleinen Jungen wird anfangs nur gebraucht, um die Persönlichkeitsstruktur der männlichen Hauptfigur zu unterstreichen: gewalttätig, rauh, versoffen - hervorragend darstellt von Colin Cunningham.

Als die Hauptfigur das nächste Mal aus dem Saufkoma erwacht, befindet sie sich immer noch in besagtem Wohnwagen, aber dieser ist an einen schwarzen Pickup-Truck angekoppelt und wird bewegt. Fragt sich aber nur, wohin.

Der im Wohnwagen Eingeschlossene versucht, sich auf vielfältige Weise bemerkbar zu machen, da er zunächst an ein Versehen glaubt. Aber bald stellt sich heraus, dass er samt Wohnwagen entführt wurde. Egal, was der Mann auch versucht - alle Befreiungsversuche schlagen fehlt. Und schlimmer noch - als er versucht, einem vorbeifahrenden Truck mit Hänger Zeichen zu geben, stellt er fest, dass in diesem Hänger auch jemand festsitzt und ebenfalls verzweifelt versucht, sich zu befreien.

Die Fahrt endet in einer Wüste, im echten Leben in einem kleinen Canyon in Cache Creek , BC. Dort stehen unzählige Wohnwagen in der Wüstenhitze und in jedem Wagen sitzt eine Person fest. Warum - keiner weiß es. Und wenn sie nicht gestorben sind, schwitzen sie dort immer noch.

Soviel zum Inhalt des Films.

Whistler Film Festival 2008

Der Film läuft sehr erfolgreich bei Itunes und hat bereits zahlreiche Preise eingesammelt, u.a. Cinequest Film Festival (bester Kurzfilm), New Hampshire Film Festival (bester Kurzfilm), Leo Awards (beste Regie in einem Kurzfilm, bester Kurzfilm), Method Festival (bester Darsteller in einem Kurzfilm). Die Zahl der Nominierungen zu Preisen ist noch umfangreicher. 49CAN hatte Gelegenheit, den Kurzfilm beim Whistler Filmfestival 2008 Anfang Dezember zu sehen.

Warum hat Colin Cunningham gleichzeitig Regie geführt und die Hauptrolle gespielt? Nach Auskunft von Colin Cunningham war eigentlich jemand anderes für die Hauptrolle vorgesehen; er wollte sich ganz auf die Regiearbeit konzentrieren; aber dann sagte der Hauptdarsteller ab und Colin sprang selbst ein - eine gute Entscheidung.

Der Film kam mit einem sehr schmalen Budget aus - unter 1000 CAD. Colin Cunningham und Madison Graie hatten aber viel kostenlose Unterstützung von anderen und haben auch viel selbst gemacht. Colin Cunningham erwähnt in diesem Zusammenhang gern Martin Wood, der ihm gute Tipps gab, wo mal wohl was herbekommt.

Was ist aber nun die Lehre aus diesem Kurzfilm:

Da gibt es mehrere Interpretationsmöglichkeiten:

1) Kaufe nie einen Wohnwagen mit Plexiglasscheiben

2) Waffengewalt ist nicht immer die Lösung für ein Problem

3) Egal, wie dreckig es einem geht, man kann davon ausgehen, dass es anderen mindestens genau so mies geht.

Der Film regt auf jeden Fall zum Nachdenken an. Vielen Dank an Colin Cunningham und Madison Graie, dass sie all die Strapazen auf sich genommen haben, um das Skript in die Tat umzusetzen. Die Beiden haben wirklich gute Arbeit geleistet und mit etwas Glück wird diese Arbeit vielleicht auch noch mit einer Academy Award Nominierung gekrönt. Dafür drücken wir die Daumen.

Im Foyer vom Village 8 Cinema in Whistler

Produzentin: Madison Graie
Regie: Colin Cunningham
Darsteller: Colin Cunningham, Fulvio Cecere
Script Supervisor: Kristine Erlendson
1. Photo (C): Centigrade The Movie
2. Photo (C): 49CAN
3. Photo (C): 49CAN