Interview mit Andrew Jackson (11/2009)


49CAN: Hatten Sie bereits Erfahrung mit der Seefahrt (Segeln, Marine oder ähnliches), bevor Sie sich diesem Projekt anschlossen?

AJ: Ich hatte nur minimale Segelerfahrung vor den Dreharbeiten zum "Seewolf". Ich mag das Meer sehr; mit 14 Jahren machte ich einen Tauchschein bei der Kanadischen Armee; als Erwachsener wurde das dann durch P.A.D.I erneut zertifiziert. Außerdem habe ich immer vom Segeln geträumt.

49CAN: Wie war das Vorsprechen für die Rolle?

AJ: Ich mag Vorsprechen und die Arbeit mit dem Regisseur Mike Barker. Er ist sehr talentiert, sehr wahrnehmungsfähig und sehr witzig. Er könnte vor noch so einem großen Problem stehen und würde trotzdem noch humorvoll sein, wo andere vielleicht schon heulen würden. Mike Barker schaffte es, dass ich mich im Vorsprechraum zuhause fühlte. Während des Auswahlprozesses sprach er mich auf meine Vorfahren an. Ich sagte: da gibt es Engländer, Schweden, Deutsche, etwas schottisches, irisches, holländisches, norwegisches und einen Hauch Irokesen-Indianer. Mike hielt einen Moment erstaunt inne und meinte dann: "Deine Familie scheint ja wirklich herumgekommen zu sein."

49CAN: Der Zweiteiler ist eine kanadisch/deutsche Koproduktion. Wie war es, zusammen mit den deutschen Darstellern und Crewmitgliedern zu arbeiten?

AJ: Es war eine tolle Erfahrung zusammen mit Sebastian Koch und Tobias Schenke zu arbeiten. Sie haben mich mit ihrem Talent, ihrer Geduld, dem Grad ihrer Entschlossenheit und dem Willen, das durchzusetzen, was sie für das Beste im Bezug auf die Produktion hielten, beeindruckt. Ich habe die meiste Zeit der Arbeit mit Tobias verbracht. Er ist ein absolutes Juwel, ein Freigeist, von emotionaler Präsenz und mit der Beweglichkeit eines Spinnenaffen. Zwischen den Szenen habe ich mich oft weggeschrien vor Lachen. Sebastian war unentwegt darauf fokussiert zu erforschen, jeden Moment und jede Szene zu perfektionieren. Er suchte unentwegt nach der Menschlichkeit in seiner Rolle und war von jeder noch so kleinen Entdeckung auf dem Weg begeistert. Ich sah ihm gern bei der Arbeit zu. Sobald die Szenen abgedreht waren, war er voller Lächeln und der vollendete Gentleman.



Kanadische Darsteller dürfen tolle Rollen auf Bühnen spielen. Nur sehr wenige kanadischen Schauspielern ist es vergönnt, große Rolle im Kino oder Fernsehen zu spielen; meist sind sie nur auf Nebenrollen beschränkt. Die meisten kanadischen oder US-amerikanischen Produktionen haben kaum Zeit für Proben - wegen Budget-Beschränkungen. Sowohl Sebastian als auch Tobias hatten die Gelegenheit, komplexe, facettenreiche Rollen im Film zu spielen. Ihr Reichtum an Erfahrung und Technik brachte einen Standard ans Set, der sehr inspirierend war.

49CAN: Es gab viele Action-Szenen in diesem Zweiteiler. Haben Sie die Stunts selbst gemacht?

AJ: Ich habe alle meine Stunts beim "Seewolf" selbst gemacht. Tobias Schenke und ich sind Gott sei dank nicht seekrank gewesen und waren gern bereit, uns den fortgesetzten Herausforderungen der Produktion zu stellen. Einige Crewmitglieder, Darsteller und sogar Stuntleute waren hingegen ziemlich seekrank - die armen Schweine.

Es gab einige Momente während der Dreharbeiten, wo Dinge aus dem Ruder liefen, weil der Ozean einfach unberechenbar ist. Jeder an Bord war bereit, sich den Herausforderungen und harten Anforderungen dieses Abenteuers zu stellen. Die Regeln des Filmens standen oft direkt im Konflikt mit den Regeln der See. Kontinuierlich mussten Kompromisse gemacht werden. Ich musste einige Action-Szenen in einem Beiboot drehen. Unser kleines Beiboot war mit Seilen an einer Bark festgemacht, die als Basiscamp für die Crew und die Filmausrüstung diente. Um die Szene richtig einzufangen musste unser Beiboot mit zwei Leinen an der Barke festgemacht werden. Jeder, der selbst mal gesegelt ist, weiß, dass der Bug des Bootes immer direkt in die Wellen zeigen sollte. Wir waren aber so festgemacht, dass das Boot in den Wellen lang und wir wie in der Achterbahn hin- und her geworfen wurden. An einem Zeitpunkt wechselt der Zustand der Wellen von "ruhig" auf "7-8 Fuß in der Höhe". Wir mussten unser Beiboot sozusagen nach unten drücken, sonst wären wir über Bord gegangen - in den einkalten Atlantik. Und in solch einer Situation noch den Dialog hinzukriegen, grenzt schon an Wahnsinn. Wir fanden es genial.



Dann gibt es da eine Szene, wo die Person, die ich spiele, vom Kapitän ziemlich heftig verprügelt wird. Während der Kampfszene wird dann auch mein Kopf gegen einen Posten geschlagen; leider ging der Stunt schief und mein Kopf knallte wirklich auf das Holz - autsch. Wir hatten die kleine Polsterung verpasst. Das Knirschen, das man im Film hört, ist in Wirklichkeit mein Schädel. Die extreme Natur und die deutlichen Details dieser Kampfszene haben wohl eine kontroverse Diskussion in der deutschen Presse hervorgerufen. Ich bin sicherlich kein Verfechter von Gewalt und mag auch keine Gewalt im Film, wo sie nicht nötig ist. Ich glaube aber, dass die Gewalt im "Seewolf" ein integraler und nötiger Bestandteil des Handlungsstrangs ist. Wolf Larsen ist eine komplizierte Figur mit einer Leidenschaft für große Literatur und Philosophie und er besitzt gleichzeitig einen irritierenden und ungesunden Hang zu Brutalität. Wer um 1800 auf einem Schoner gearbeitet hat, wird ziemlich schnell gelernt haben, dass das Wort des Kapitäns wie das Wort Gottes anzusehen ist. Die Position des Kapitäns in Frage zu stellen oder anzugreifen, wurde mit dem Tod bestraft. Wenn man den Schleier von den so genannten zivilisierten Kreaturen zieht, wird man eine dunkle und gewalttätige Natur entdecken. (das glaubte jedenfalls unser berüchtigter Kapitän.). Für Johnson war gefährlich, dass er einen so tiefen Sinn für Moral hatte. Er war einfach zu gut, um in einer von Korruption regierten Seefahrerwelt zu überleben.

Ich war in der Lage, auf einem tiefen Level eine Verbindung zu Johnsons Kampf herzustellen. Ich habe ein paar außergewöhnliche Leute in meinen Jahren in diesem kranken Geschäft getroffen und konnte auch einiges böswilliges und zerstörerisches Verhalten beobachten. Als junger Schauspieler kam ich mal in ein Produktionsbüro; dort hing ein Schild an der Wand, mit der Aufschrift:

Das Film- und Fernsehgeschäft ist ein seichter Plastik-Gang, wo Zuhälter, Diebe und Huren wild herumlaufen und gute Männer und Frauen wie Hunde sterben.

Die Gewalt aus der Welt des Seewolfs um 1800 ist heute noch relevant. Wenn wir zusammen mit unseren Familienangehörigen vor dem Fernseher sitzen, sind wir vielleicht nur nicht darauf vorbereitet, mit dieser unangenehmen Wahrheit konfrontiert zu werden. Ach, würde die Welt nur regiert von Leuten mit der inneren Güte von "Johnson".

49CAN: Wurden die Szenen hauptsächlich im Studio gedreht oder an Bord dieses Schiffes?



AJ: Einen kompletten Film auf See zu drehen wird heutzutage nur selten versucht. Die Kontinuität, Sicherheit und die Kosten würden es praktisch unmöglich machen. Mir wurde gesagt, dass die meisten Filme, wie z. B. "Master and Commander" im Studio gemacht werden. Ein großer Teil von "Piraten der Karibik" wurde auf einem Schiff gedreht, was fest vor Anker lag. Die meisten Szenen des Zweiteilers "Der Seewolf" wurden auf See gedreht (ein sehr mutiger Zug seitens des Produzenten und Regisseurs.). Wetter und Windbedingungen wechselten teilweise von jetzt auf gleich und machten es so fast unmöglich, an die Szenen und Takes vom Vortag anzuknüpfen. Es gab viele Tage, die wir wegen dichtem Nebel nicht nutzen konnten.

Die Szenen, die unter Deck spielen, wurden in einem Studio in Halifax gedreht. Szenen im Studio zu drehen bedarf nur wenig Vorstellungskraft. Die Sets waren toll. Sie hatten Leute engagiert, die die falsche Kabine von außen bewegten, um die Wellenbewegungen nachzuahmen. Wir nannten das dann "The gimble".

49CAN: Welche Projekte stehen bei Ihnen als nächstes an?

AJ: Ich bin der Hauptsprecher für ein X-Box Spiel, was neu herauskommen soll und dann wurde ich kürzlich noch für ein anderes X-Box Spiel gecastet. Ich hatte vier Gastauftritte als Sprecher in der CBC Cartoon Serie"Razzberry Jazzberry Jam"; Außerdem durfte ich die Rolle eines südamerikanischen Fledermauswesens in der Cartoon Serie "Skatoony" sprechen. Dann schreibe ich mit an einem übernatürlichen Kurzfilm und spiele einen russischen Bösewicht in einem anderen Kurzfilm. Die Filmindustrie ist sehr stark von den unglücklichen Entwicklungen in der Wirtschaft betroffen; zusätzlich gab's noch Probleme durch Verhandlungen mit den Gewerkschaften. Zusammenfasst, für die meisten Darsteller gibt es nur wenig Arbeit.

49CAN: Man sagt, der Unterschied zwischen Seglern und Motorbootfahrern sei der folgende: der Motorbootfahrer will angekommen und der Segler will unterwegs sein. Was trifft davon auf Sie zu?

AJ: Ich würde es vorziehen zu segeln. Die Elemente so kennen zu lernen - egal wie schwierig es auch sein mag - ist wohl der beste Weg, um das Leben kennen zu lernen. Ich will die salzige Luft schmecken. Es gibt dann Momente der Ruhe und der Grazie, die man wohl auf einem Dampfer so nicht erleben wird.

49CAN: Wurden die Dialoge in Englisch gedreht und später erst mit der deutschen Fassung versehen oder sprachen die deutschen Darsteller deutsch und die Kanadier Englisch?

AJ: Wir haben alles in Englisch gemacht. Die deutschen Darsteller haben das offenbar das erste Mal gemacht. Sie waren aber klasse. Ich hoffe, die deutsche Synchronisation war erfolgreich. Ich habe vor Jahren mal einen japanischen Film synchronisiert. Es war sehr schwierig, die Intentionen der Darsteller zu treffen und das Ganze zu den Bewegungen ihrer Lippen passend zu machen.



49CAN: Gibt es noch was Lustiges vom Set, was Sie uns berichten könnten?

AJ: Wie schon gesagt, mussten Tobias und ich einige Szenen in diesem Beiboot drehen. And einem der seltenen sehr warmen Tage, versuchten wir hinter dem Schoner zu segeln - allerdings war kein Wind. Uns wurde gesagt, wir müssten wegen der Kontinuität das Segel auf der falschen Seite halten. Ich hatte den Segelbaum im Kreuz und es hat sehr gedrückt; wir hatten Schutzkleidung unter den schweren Sweatern an und dann noch Gummistiefel und Regenhosen. Ich sollte heftig mit einem der Sitze aus dem Beiboot paddeln, während Tobias sich um Ruder und Segel zu kümmern hatte. Ich brauchte dringend eine Pause; wir hatten Krämpfe und Muskelschmerzen und es war extreme unbequem. Jeder Versuch, basierend auf den Regel der See zu segeln, wurde vom Aufnahmeleiter kritisiert: "Das passt nicht zu den vorherigen Aufnahmen." Das Boot fühlte sich an, als würde es im Atlantik kentern und ich konnte Tobias zwischen den Aufnahmen schreien hören: "Besorgt mir eine Zigarette; irgend jemand muss mir eine verdammte Zigarette holen." Die Situation war so absurd; ich begann hysterisch zu lachen. Ich wollte einfach nur in den Ozean fallen, mich abkühlen und das verdammte Querholz aus meinem Rücken weg haben. Ja, die Freuden der Schauspielerei.

© Photos: Wanstrom & Assoc.